Aus: Beilage Saarbrücker Zeitung ………,

SZ am Wochenende mit Fernseh- und Rundfunkprogramm vom 22. bis 28. April 1978 – Nr. 17 Reportage Seite 3:

 

 

Bei 40 Grad im Schatten streikte die Wasserpumpe

 

Christel Szymanski

Die Wüstenküche war keine wüste Küche

Saarländisches Forscherteam grub 50 Tage lang in Syrien

 

 

Abu Adnan versteht sein Handwerk. Auch mitten in der Steppe, fernab jeder Zivilisation unserer Vorstellung, bringt er Schmackhaftes auf den Tisch. Fünfzig Tage lang kochte der syrische Koch für ein saarländisches Team, das im Sommer vergangenen Jahres zu Grabungsarbeiten ans Euphratufer in Nordsyrien gekommen war.  Er kochte syrisch und türkisch, kannte sich auch in den Küchen europäischer Länder aus, für deren Vertreter er bei früheren Ausgrabungen ebenfalls schon das Essen auf den Tisch gestellt hatte. „Es hat geschmeckt“ fasst denn auch Grabungsleiter Alfred Maurer, Architekt aus Saarbrücken, diesen Teil seiner Expedition zusammen.

 

Sie begann mit landesüblichen Schwierigkeiten, wie man sie 4000 Kilometer von zu Hause entfernt und mitten in der hitzeglühenden syrischen Steppe, in Kauf nehmen muß. Das Wetter übertrieb: 40 Grad im Schatten, und ausgerechnet das streikte gleich zu Beginn die Wasserpumpe. Was machen von der Hitze ausgepumpte Deutsche? Sie  trinken, gegen jede Vernunft, das Wasser aus dem Euphrat, ungekocht – und haben Glück: Niemand erkrankte.

 

Zu diesem Anfang mit Schwierigkeiten kam noch die wenig aufmunternde Nachricht von einer großen Choleraepidemie in Syrien. Glück auch dabei: Es geht ohne Krankheitsfall ab – was wohl einer jener wenigen Vorteile der Einsamkeit war, in der das neunköpfige Team meilenweit von der nächsten Siedlung  entfernt lebte. Beim wöchentlichen Einkauf in der Stadt Aleppo gab es wegen der Cholera-Risiken dann auch weniger Sorten Obst und Gemüse als sonst. Doch der mit einigen Brocken Arabisch und dem Rest Englisch zusammengekaufte Vorrat an Gemüse, wie Auberginen und Obst, wie Melonen und Bananen reichte  auch so für jeweils eine Woche aus.

 

Soll eine Grabungskampagne gut verlaufen, müssen  auch solche Nebenarbeiten organisiert sein: sie dürfen nicht behindern, Koch, Hausdiener und zwei Küchenhelferinnen, alles Syrer aus den Dörfern der Umgebung sorgten denn auch für diese Seite des Lebens des saarländischen Teams. Im auftrage der Deutschen Orientgesellschaft in Berlin hatte es sich aufgemacht, die Geschichte der viertausend Jahre alten Stadt Mumbaqat zu enträtseln.  Zwei frühere Grabungen hatten bereits die Grundlagen dafür geliefert. Jetzt, bei der dritten und letzten Grabung, sollten weitere Erkenntnisse gesammelt werden.

 

Alfred Maurer war schon bei der zweiten Grabung dabei 1974, unter der Leitung von Professor Orthmann; so war er mit Gegend und Grabungsort bestens vertraut.

 

Mumbaqat gab mit jeder Bauschicht, die neu freigelegt werden konnte, Näheres  über seine Jahrtausende alte Vergangenheit und Vergessenheit preis. Es muß einst ein Fürstensitz gewesen sein, eine stark befestigte Stadt, hinter deren 3,50 Meter dicken Mauern sich jahrhundertelang blühendes Dasein entfaltet hatte.

 

As der Zeit vom Beginn des zweiten Jahrtausends vor Christus bis zu dessen Ende wurden zehn verschiedene Bauschichten festgestellt. Schutt und Asche zwischen ihnen lassen auch auf unruhige Zeiten schließen.

 

Vieles wurde gefunden, was Aufschluß über das einstige Leben in dieser  Stadt am Euphrat-Ufer gibt: Schmuck aus Perlen, Bronzenadeln, Waffen, wie Beile, axt, speerspitzen aus Bronze, Messer. Bei  den Grabungen wurde auch die Palastküche freigelegt, in der  ein 50 cm hoher, sehr reich verzierter Herdständer aus Ton die Jahrtausende fast heil überstanden hat.

Im Bereich des großen und kleinen Tempels, die bei früheren Expeditionen bereits teilweise ausgegraben worden waren, fanden sich Kultgegenstände, wie beispielsweise Räucherständer und Gefäße, ferner Opfergaben in Form von Tonlebermodellen von Tieren und natürlich zahllose Scherben. Diese werden jetzt in monatelanger mühsamer Arbeit zusammengesetzt und werden dann vielleicht weitere Einzelheiten über jene uns noch weitgehend unbekannten Zeiten und ihre Menschen erzählen können.

 

Mumbaqat hat sich sein Tontafelarchiv nicht entreißen lassen

 

Damit und ebenso mit dem Auswerten der Tagebücher und der Ausarbeitung von an die 1000 Zeichnungen werden die Grabungsteilnehmer der Universität des Saarlandes noch eine Zeitlang beschäftigt sein. Jedes Detail, jede Steinform, jeder Quader der klotzigen mauern wurden exakt vermessen und aufgenommen.

 

Bei den Grabungen halfen syrische Arbeiter kräftig mit; Zwischen 25 und 59 waren durchschnittlich in Mumbaqat beschäftigt. Sie schaufelten, kratzten, sammelten Scherben und legten sie in ordentlichen Planquadraten zusammen, täglich von morgens sechs bis nachmittags drei.  Während des Fastenmonats Ramadan kürzten sie ihre Arbeitszeit um täglich zwei Stunden. Ihr Lohn machte mit 21000 DM den Hauptteil der gespendeten 33000 DM aus, womit das Team seine kosten bestritt; doch  mit dem landesüblichen niedrigen Lohn von 8 DM pro Mann und tag waren sie eine preiswerte Hilfe.

 

Sie arbeiteten, ebenso wie das Küchenpersonal, eng mit der saarländischen Gruppe zusammen. Die beiden Hausmädchen hielten nicht nur das früher gebaute Grabungshaus und die beiden Zelte in Ordnung, sondern sorgten auch für deren ordentliches Aussehen. Das Haus zum Beispiel strichen sie an, das heißt, sie bespritzten so lange die Wände mit einer Kalkbrühe, bis diese weiß waren. Den Kalkstein dafür hatten sie selbst herbeigeschafft, ihn mit der Hand fein verrieben und diesen Steinstaub, dann mit Wasser vermischt.

 

„Insgesamt gesehen ist das Team“, so Alfred maurer, „mit seiner Arbeit zufrieden. Sein Ziel, noch offene Fragen der Geschichte zu klären ist weitgehend erreicht worden, wenn auch das erhoffte Tontafelarchiv nicht gefunden werden konnte.“ Man hat viele Kleinfunde gemacht, die Grundmauern der Tempel freigelegt, Stadttore, Häuser, eine Straße mit angrenzenden Steingebäuden und Handwerksbetrieben draußen vor dem Stadttor festgestellt – wo man auch einen 1,25 m hohen und zwei Meter breiten Keramik-Brennofen am Euphratufer gefunden hat -, man sei auf spätere römisch-byzantinische Gräberanlagen gestoßen; all das setze sich zu einem Bild zusammen, das das bisherige Dunkel der Geschichte Mumbaqats erhellte. Funde, wie ein ägyptischer Skarabäus zum Beispiel, belegten weiter, dass nicht, wie häufig vermutet wird, vom Euphrat allein Kulturentwicklungen ausgingen, sondern, dass umgekehrt auch von anderen Völkern Einflüsse in das Euphratgebiet kamen: Über Handelsstraßen müssen Beziehungen zu anderen Ländern bestanden haben.

 

Solche Forschungsergebnisse konnte das saarländische Team auch bei den wenigen Festen erörtern, die den harten und arbeitsreichen Aufenthalt auflockerten. Da kamen beispielsweise japanische Kollegen von einer anderen, weiter entfernten Grabung zu gast oder auch Mudir El Nahiye, der so etwas wie der Landrat jener Gegend ist mit ihm und seinen Leuten hatte das saarländische Team gute Beziehungen. Bei den schier endlosen Fachgesprächen wurde natürlich auch gegessen und syrischer Wein und Feigenschnaps sorgten für gelockerte Atmosphäre. Abu Adnan zeigte dann, was er konnte: Seine Hammelspieße vom offenen Feuer gehören wohl mit zu den angenehmsten Erinnerungen an 50 Tage arbeit und Abenteuer in syrischer Hitze.

 

Foto 1: Reichverzierter Herdständer aus der Palastküche (Foto Maurer)

 

Foto 2: Zum guten Ergebnis der Grabungskampagne 1977 haben sehr wesentlich auch die Leistungen der 59 geübten Grabungsarbeiter aus den syrischen Dörfern der Umgebung von Mumbaqat beigetragen, die ihre Aufgaben mit sehr viel Geschick und Ausdauer angingen. (Foto Maurer)

 

Foto 3: Die Palastküche von Mumbaqat! Von links nach rechts: Eine Steinplatte mit griff, der Rest eines Ofens, ein reichverzierter Herdständer – oben ist er in Großaufnahme zu sehen – und ein weiterer Ofen mit davorliegenden Reibsteinen. (Foto Maurer)